Rückblick: 2. Fachkonferenz Jugend- und Schüleraustausch in München

Vom 13. – 15. November 2023 trafen sich rund 100 Fachkräfte zur 2. Fachkonferenz Jugend- und Schüleraustausch „Vielfalt erleben – Anerkennung stärken. Standen im letzten Jahr bei der 1. Fachkonferenz die Themen Zugang und Bildungsgerechtigkeit im Mittelpunkt, so ging es in diesem Jahr um den gesellschaftlichen Wert und die Anerkennung von Jugend- und Schüleraustausch. Fachkräfte und Vertreter*innen von Organisationen des schulischen Austausches, der internationalen Jugendarbeit und des langfristigen individuellen Austausches trafen sich in München-Fürstenried, um dazu gemeinsame Strategien zu erarbeiten. Moderatorin Anne Heitman von ah kommunikation führte gekonnt durch die Veranstaltung.

Dr. Uta Wildfeuer vom AJA Arbeitskreis beschrieb bei der Eröffnung die Kernidee der Konferenz wie folgt: „ Wir wollen einen Raum zum gegenseitigen Kennenlernen lernen schaffen und die Vielfältigkeit der internationalen Austauschprogramme sichtbar machen. Wir wollen die Möglichkeit schaffen, über Gemeinsamkeiten zu sprechen und diese formulieren. Mit dieser Fachkonferenz haben wir die Chance und das Potenzial, Synergien zu schaffen und unsere Arbeit sichtbar für die Gesellschaft und für die Politik zu machen.“

Foto: AJA/Franz Josef, Berlin

Im Grußwort hob Mirjam Eisele, Geschäftsführerin der Stiftung Jugendaustausch Bayern und Vorsitzende des Stiftungsvorstands, die Bedeutung von internationalen Austauschprogrammen hervor: „Um unser Zusammenleben friedlich zu gestalten und die Demokratie zu stärken, sind interkulturelle Kompetenzen unerlässlich. Internationale Austauschprogramme spielen dabei eine entscheidende Rolle. Sie bieten nicht nur Jugendlichen individuelle Entwicklungs- und Bildungschancen, sondern haben auch positive gesellschaftliche Auswirkungen, die in unserer Zeit so unverzichtbar sind.“

Grundsätzliches zum Thema Demokratiepädagogik, Demokratielernen, Demokratiebildung und Demokratiekompetenz führte Dr. Wolfgang Beutel, Direktor des Instituts für Didaktik der Demokratie an der Universität Hannover, in seiner Keynote zu „Demokratie-Pädagogik in Schule und Jugendaustausch“ aus: „Die Schule ist das Lebens- und Entwicklungsmilieu, in dem junge Menschen entscheidende Lebensschritte gehen und Erfahrungen mitnehmen, die zur politischen Identität beitragen. Schüler*innen- und Jugendaustausch ist ein Mittel zur Förderung demokratischer Handlungskompetenz, denn alle Formen von respektvoller Begegnung dienen dem wechselseitigen Verstehen und der Verständigung und haben damit eine deliberativ-kommunikative Basis. Sie realisieren damit eine besondere Form der Demokratie.“

Dr. Wolfgang Beutel Keynote
Foto: AJA/Franz Josef, Berlin
Podium Fachkonferenz
Foto: AJA/Franz Josef, Berlin

Auf dem anschließenden Podium berichteten junge Menschen, die unterschiedliche Arten von Austausch erlebt haben, wie dieser sie geprägt hat. „Ich bin selbstbewusster geworden“, sagte David Tasala-Carbunica, ein ehemaliger Teilnehmer von „Generation Europe“, der zum Schüleraustausch in Spanien war. Safa Hamad war zu einem zehntägigen Schüleraustausch in Jordanien. Sie beschrieb, dass sie offener geworden sei und jetzt auch mehr Verantwortung in der Schule übernehme. Johannes Scharpenberg war mit DRK Volunta für fünf Monate in Irland. „Ich traue mich jetzt mehr, zum Beispiel einfach Leute anzusprechen.“ Christoph Brandl, der während seiner Berufsausbildung mit den Programmen „Azubis in die USA“ sowie ein Jahr mit dem Parlamentarischen Patenschaftsprogramm (PPP) in den USA war, hat die Gastfreundlichkeit der Amerikaner überrascht: „Der Schüleraustausch hat meinen Horizont erweitert“ sagte er. Dario Schramm war mit AFS in den USA. Er beschrieb den Einfluss von Schüleraustausch wie folgt: „Wenn junge Menschen in den Austausch gehen und mit Menschen aus anderen Kulturen in Kontakt kommen, leistet das einen wesentlichen Beitrag für weltweite Demokratie und Frieden. In dem Moment, wo du einen Bezug zu einer anderen Kultur hast, ist es einfacher, Dinge zu hinterfragen und zu verstehen. Ich habe viele Sachen durch meinen Austausch besser verstanden.“

Der zweite Tag startete mit einer Keynote von Dr. Frederike Hofmann-van de Poll vom Deutschen Jugendinstitut zur „European Youth Work Agenda“. Hinter diesem etwas sperrigen Begriff verbirgt sich ein Konzept zur Arbeit mit jungen Menschen auf europäischer Ebene. Das Youth-Work-Konzept basiert auf der Europäischen Menschenrechts-Charta und soll Jugendlichen Teilhabe ermöglichen, an demokratischen Prozessen mitzuwirken. Schüleraustausch, ob schulisch oder außerschulisch, sei ebenfalls als Teil von Youth Work zu verstehen, so Hofmann-van de Poll.

In zwei Workshop-Runden am Dienstag Vor- und Nachmittag wurde gemeinsam gearbeitet. Unter anderem zu Themen wie: „Neue Zeiten in der internationalen Jugendarbeit und Jugendbildung“, „Internationale Jugendarbeit 3.0 – Wandel durch digitale Elemente“, „Antisemitismus“, „Politische Bildung und Demokratieförderung in der internationalen Jugendarbeit“, „Fachkräfteinitiative.International“ und „Gaming“. Ein Workshop wurde von Jugendlichen aus dem Programm „Generation Europe“ selbst geleitet.

Dr. Frederike Hofmann-van de Poll, Keynote Fachkonferenz
Foto: AJA/Franz Josef, Berlin
Podium Fachkonferenz
Foto: AJA/Franz Josef, Berlin

Auf dem Podium am Dienstagnachmittag mit Expert*innen zu Ehrenamt, Teilhabe und Zivilgesellschaft wurden der Wert und die Anerkennung von internationalem Jugend- und Schüleraustausch diskutiert. Rolf Witte, Vorsitzender des IJAB, sagte zum Wert von Austausch: „Junge Menschen kommen deutlicher, klarer, reflektierter und bewusster aus dem Schüleraustausch zurück. Diese Selbstreflektion und Vergewisserung strahlt in die Familien, Klassen und in die Gesellschaft zurück“. Laura Ballaschk, ehrenamtlicher Vorstand bei YFU, sieht vor allem Kompetenzerfahrung, Autonomieerfahrung und soziale Eingebundenheit als Motivationsfaktoren, um sich nach dem Austausch ehrenamtlich zu engagieren. Gernot Stiwitz, Leiter Pädagogischer Austauschdienst, ergänzte: „Austausch kann Leute befähigen, teilzuhaben und sie sprechfähig zu machen. Dazu muss Austausch sozial inklusiv gestaltet werden.“ Er fand aber auch kritische Worte zur aktuellen politischen Situation und zu den Mittelkürzungen des Bundes. Prof. Dr. Sabine Hornberg, Dekanin Fakultät Erziehungswissenschaft, Psychologie und Bildungsforschung TU Dortmund, stellte ihre Forschung zum Thema „Erasmus+“ vor. Die Studie wird im nächsten Jahr veröffentlicht. Michael Schwarz, Bereichsleiter Strategische Handlungsfelder im Bayerischen Jugendring, betonte die Wichtigkeit von Netzwerken und Partnerschaften, um Austausch realisieren zu können.

Am Mittwoch, dem letzten Tag der Konferenz, stellte die Initiative „Schule:Global“ auf einem Panel vor, wie Synergien zwischen Schule und außerschulischen Trägern Schulen im Bereich Schüleraustausch unterstützen können. Auf einem zweiten Panel zum Thema „Zugänge erleichtern“ wurden verschiedene Projekte vorgestellt: Thomas Richert von der Stadt Cottbus zeigte, wie Austausch in strukturschwacher Region gelingen kann. Lea Sedlmayr vom Bayerischen Jugendring präsentierte ihr Projekt mit Mittelschulen und Ulrike Werner vom IJAB stellte das Projekt „VISION:INCLUSION“ vor.

Höhepunkt der Konferenz war zweifelsohne das gemeinsame Verfassen der „Fürstenrieder Erklärung“. Dieses feldübergreifende Positionspapier stellt die Potenziale von Jugend- und Schüleraustausch heraus und wirbt für mehr Anerkennung. Nachdem eine Arbeitsgruppe im Vorfeld der Konferenz einen Vorschlag erarbeitet hatte, wurde dieser erst in einem Workshop und anschließend in einer weiteren Schreibgruppe  in „Spätschicht“ ausgearbeitet. Die „Fürstenrieder Erklärung“ wurde von den Teilnehmenden der Konferenz beschlossen und soll über die Konferenz hinaus wirken.

https://fk-jugendaustausch.de/fuerstenrieder-erklaerung/

Am Ende der Konferenz zeigten sich alle zufrieden. „Wir haben viel erreicht und ich habe einen guten Einklang gespürt“, fasste eine Teilnehmerin die Fachkonferenz zusammen. Eine weitere Konferenz 2024 war der allgemeine Wunsch.